WIE DU ALS TRAINER*IN DIE KABINE GEWINNST
von Andreas Bosch
(Flow Champions Gründer und Sportmentaltrainer)
von Andreas Bosch
(Flow Champions Gründer und Sportmentaltrainer)
Die jüngsten Beispiele von Hansi Flick und Stefan Kuntz haben es gezeigt: Wenn der Trainer „die Kabine verliert“, ist der Leistungsabfall der Mannschaft vorprogrammiert und im schlimmsten Fall die Entlassung nur noch eine Frage der Zeit.
Diesen Verlust frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig gegen zu steuern können eine Mammutaufgabe sein:
Essenziell für erfolgreiche Trainer*innen sind die Schwingungen und Stimmungen genau im Blick zu haben und bei negativen Entwicklungen rechtzeitig zu reagieren. Eine Mammutaufgabe.
– Vgl. Focus Freitag, 31.03.2023, Bernhard Lackner –
Doch noch vielmehr gilt als Trainer*in die Kabine für sich zu gewinnen! Damit deine Mannschaft voller Freude und Enthusiasmus auf‘s Spielfeld geht. So wie Rudi Völler jüngst mit der Nationalelf. Denn es gibt wohl nichts frustrierender für Trainer*innen mit anzusehen, wie das Team dem Druck nicht standhält, es die Spielfreude verliert und sich die Konzentrationsfehler immer mehr häufen.
Aus meiner Erfahrung als Mentaltrainer im Mannschaftssport möchte ich dir daher 3 Impulse für deine Kabinenansprache mitgeben, wie man es besser machen kann und nicht nur dem Verlust gegensteuert, sondern vielmehr die Kabine für sich gewinnt.
Denn was eignet sich besser dafür die Kabine für sich zu gewinnen, als eine überzeugende Kabinenansprache?!
Werde dir deiner Rolle als Trainer*in im Training und deiner Rolle als Coach im Spiel bewusst. Frage dich:
Wann agiere ich als Coach und wann agiere ich als Trainer?
Der Trainer bringt durch Vermittlung seines Wissens und seiner Trainingsmethoden den Spielern etwas bei, verbessert sie. Dazu gehört auch in passenden Momenten auf Fehler hinzuweisen, zu analysieren und Kritik zu üben.
Der Coach fungiert als ein Begleiter im Spiel, Herausforderungen gekonnt zu meistern. Er bringt die Spieler auf den Weg, gibt notwendige unterstützende Hinweise und spornt sie an, ihr Bestes zu geben.
Das gleich gilt natürlich auch für unsere Kabinenansprache.
Denn was ist eine Kabinenansprache nicht? Es ist kein Training!
Nochmal zum Mitschreiben: Eine Kabinenansprache ist kein Training! Was machen viele Trainer*innen? Sie versuchen in der Kabine noch zu trainieren.
Du fragst dich jetzt vielleicht: Hä, wieso sollte ich da unterscheiden?
Hinterfrag dich doch mal als Trainer*in, was genau du willst? Ist es nicht so, dass du im Training mit deinem Team eine Leistung aufbaust und genau diese Leistung soll dann im Spiel abgerufen werden?
Im Grunde geht es darum, dass deine Mannschaft am Spieltag einen klaren Kopf hat, fokussiert ist und voller Leidenschaft ins Spiel geht. Idealerweise nähert sich deine Mannschaft dabei dem Flow an (den Zustand der höchsten Konzentration) und ruft das zuvor Gelernte aus dem Training mit Leichtigkeit in Drucksituationen am Spieltag ab.
Im Spiel ist der kritische Trainer mit seinen Fehleranalysen für die Performance des Teams hinderlich. Vielmehr hilft es den Spielern einen unterstützenden Coach zu haben, der sie anspornt und zu Höchstleistung treibt.
Wenn dir im Spiel was auffällt, was noch nicht so läuft wie du es dir vorstellst, dann sprich es NICHT vor oder während des Spiels an. Das sind Inhalte die ins TRAINING gehören. Schreib es dir besser auf und spreche es beim nächsten Training in der Spielanalyse an.
TRAINING ist TRAINING. SPIEL ist SPIEL!
– vgl. Michael Draksal ITK Bremen 2023 –
Ich kann es absolut nachempfinden, was in einem vor sich geht, wenn einem was auffällt und man helfen möchte. Warum also, sollte man es dann nicht auch ansprechen? Mit dem Ziel, dass die Kritik oder nenn es Korrektur am besten direkt im Spiel umgesetzt wird.
Ganz einfach: Weil die Spieler*innen im Punktspiel ein anderes Mindset, eine andere Einstellung bzw. ein anderes Selbstvertrauen benötigen als im Training.
Die Aufgabe als Spieler*in ist es, in die Spielfreude zu kommen, sich seiner Stärken bewusst zu sein, um sein Können im Spiel abzurufen. Daher ist es essentiell, dass nicht die Defizite, sondern die Stärken im Spiel angesprochen werden. Sei mutig, probiere es aus und du wirst merken, dass es einen Unterschied machen wird.
VERGISS NICHT: Die Defizite der Spieler sind immer die Defizite des Trainers.
– vgl. Michael Draksal ITK Bremen 2023 –
Frag dich, was kannst du als Trainer*in besser machen, damit die Spieler*innen ihre Trainingsleistung auch im Spiel unter Drucksituationen abrufen und bestenfalls in den Flow kommen. In dem Zustand, in dem sie über sich hinauswachen und ihr volles Können zeigen.
Und wo wir schon dabei sind, was du als Trainer*in tun kannst. Hast du schon mal was vom Teamflow gehört und wie das funktioniert?
Dieses Video über das Metronom veranschaulicht die Wirkung vom Teamflow, wie ich finde, ziemlich perfekt:
Erklärung zum Video:
Im Video siehst du eine Tischplatte mit Metronomen, die sich bewegen. Am Anfang schwingen die Metronome alle in einem unterschiedlichen Takt, bzw. in einer eigenen Geschwindigkeit. Aber weil sie auf einer beweglichen Tischplatte sind, passiert nach etwa 60 Sekunden etwas Magisches.
Das gesamte System pendelt bzw. schwingt sich ein. Das ist Teamflow!
– vgl. Michael Draksal ITK Bremen 2023 –
Das ist kein Hokuspokus, sondern einfach nur Physik. Die bewegte Tischplatte sorgt dafür, dass sich das gesamte System einpendelt bzw. einschwingt.
Übertragen auf den Fußball heißt das, dass deine Kabinenansprache dazu führen sollte, dass die Gehirne deiner Spieler*innen alle gleich schwingen.
Wie bekommst du das hin? Mit Musik. Um genau zu sein mit 140 Beats per Minute. Nachgewiesen von Prof. Dr. Alfred Effenberg in seinem Projekt SoundSoccer.
Im Projekt SoundSoccer von Prof. Dr. Alfred Effenberg wurde eine Jugend-, eine Frauen- und eine Männermannschaft getestet. Die Teams absolvierten insgesamt 22 Trainingseinheiten. Dabei trugen die Spieler und Spielerinnen außer Fußballschuhe und Trikotseinen handygroße Musikempfänger am Gürtel und leichte Kopfhörer im Ohr.
Zunächst spielten die Teams ohne Musik gegeneinander.
Beim nächsten Vergleich hörten alle Spieler des ersten Teams zeitgleich Musik mit 140 Schlägen pro Minute. Die Spieler des zweiten Teams dagegen hörten Musik mit jeweils unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Anschließend wurden die Rollen getauscht.
Wenn alle den gleichen Musik-Rhythmus hörten, dann liefen, kickten und passten sie auch miteinander richtig schön im Takt.
Die Ergebnisse bestätigten die Hypothese der Wissenschaftler: Zeitgleiche Musik fördert das Zusammenspiel, ergo bessere Passgenauigkeit!
Hören die Spieler dagegen unterschiedliche Rhythmen, machten sie mehr Fehler.
Bringe deine Mannschaft in den Teamflow:
Sprecht im Training mit eurem Team mit welcher Musik sich alle am besten identifizieren können. Für einen gemeinsamen Song in der Kabinenansprache. Dieser sorgt dafür, dass die Gehirne alle den gleichen Takt haben. Das hat nachgewiesene Effekte auf die Mannschaftsleistung.
Empfehlung: Du weißt nicht, ob ein bestimmter Song die gewünschte Beats per Minute hat? Dann empfehle ich dir eine dieser Seiten, die dir genau das verraten: songbpm oder audio-editor. 😉
Um den Teamflow zu fördern, verzichte auf Korrekturen in der Halbstzeitpause. Taktikänderungen sind ok, aber im Wettkampf sollte es darum gehen die Stärken zu stärken und Spielfreude zu fördern, z.B. mit Musik. Das unterscheidet den Wettkampf vom Training.
Empfehlung: Du willst mehr zum Fußballtraining mit Musik erfahren? Einfach hier klicken.
Noch immer nicht überzeugt?
Studie von Abele zu Stimmung & Leistung (1995):
Denken und Handeln sind niemals „stimmungsneutral“, sondern immer in einen bestimmten Stimmungskontext eingebettet. Mit Musik lässt sich die Stimmung stark beeinflussen! Und darüber hinaus lässt sich das Denken und Handeln stark beeinflussen!
MUSIK > STIMMUNG > LEISTUNG
Studien zu ruhiger Musik im Hintergrund:
– Milliman (1982):38% mehr Verkäufe im Supermarkt
– Ross (1966): 18,6 Produktivitätssteigerung und 37% reduzierte Fehlerquote bei Mitarbeitern des Energiekonzerns Mississippi Power (USA)
– Auswertung aus „The Lancet“ (2015): Musik im Operationssaal: weniger Angst, weniger Schmerzen, fördert die Genesung
– British Medical Journal; Operationsteams mit Musik: erhöhte Präzision, weniger mentale Belastung, verbesserte Situationswahrnehmung, kürze Dauer der Opterationsschritte
Und wo fange ich an? Am besten bei dir als Trainer*in. Bring dich in den Flow und dein Flow wird sich auf die Mannschaft übertragen. Stichwort: Teamflow 😉
Das gilt im Übrigen auch andersrum: Ist der Trainer nicht im Flow, wird auch deine Mannschaft eher weniger in den Genuss dieses wundervollen Zustandes von Freude und Leichtigkeit kommen. Oder noch schlimmer, manche oder alle deine Spieler*innen sind im Flow, aber du bringst sie als Trainer*in durch deinen „Antiflow“ wieder raus.
Bist du angespannt, überträgt sich das schnell auf dein gegenüber und damit auf das Team. Dabei kannst du trainieren deinen Spannungsgrad immer besser wahrzunehmen und gezielt zu steuern bzw. zu regulieren. (Man könnte auch Erregungsgrad sagen, aber das kann falsch verstanden werden :-))
Erinnere dich daran: Du bist Anführer*in. Das muss von dir ausgehen! Du hast eine Vorbildfunktion. Wenn der Trainer nervös ist, dann ist die Mannschaft auch nervös. Ist der Trainer im Flow, dann ist die Mannschaft auch im Flow.
Denn:
FLOW überträgt sich!
Wie stimmst du dich ein auf das Spiel? Wo ist dein Funkeln in den Augen. Wenn der Funke überspringen soll, muss er erstmal bei dir stattfinden. Was ist dein eignes Flow-Lied? Wie bringst du dich in den Flow?
Auch hier gilt: Das muss man trainieren!
Empfehlung: Am 7. Dezember 2023 findet gemeinsam mit Michael Draksal das BDFL Online Trainer-Seminar Mehr Teamflow durch Musik – Praktische Einsatzmöglichkeiten im Fußball statt. Hier geht’s zur Anmeldung beim DBFL.
Gib dem ganzen eine Chance und probiere es aus. Auch Trainer*innen sollten sich stets weiter entwickeln. :-)
Noch mehr Info zur Kabinenansprache, Teamflow etc. gibt es in unserem Artikel:
BDFL-TRAINERFORTBILDUNG: WIE DU MIT DEINER STIMME DEIN TEAM NOCH BESSER ERREICHST
Viel Spaß und vor allem viele FLOW Momente.
Hallo. Ich bin Andreas, Gründer von Flow Champions, BDFL Referent, Mentaltrainer A, DOSB-Ausbilder und Präsident vom Deutschen Bundeverband Sportmentaltraining.
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